Galerie

Reaktionen und Kritiken


https://www.berliner-zeitung.de/open-source/madelaine-bantleon-maddelaene-rassismus-deutsch-afrikanische-familie-li.127357?pid=true

Berliner Zeitung online - am 21.12.2020 - open source Autorin: Dorothee Dauber

Literatur: Wenn die Straße von Gibraltar mitten durchs Wohnzimmer führt 


Die Berliner Autorin Madeleine Bantleon schreibt über die Erlebnisse einer deutsch-afrikanischen Familie, und dies amüsant und hochaktuell, findet unsere Open-Source-Kritikerin.

21.12.2020 von Dorothee Dauber


Madeleine Bantleon, die Autorin dieser 13 Geschichten, ist Berlinerin, sie stammt aus Reinickendorf und wurde 1964 geboren. Seit mehreren Jahrzehnten lebt sie in afro-deutschen Familienzusammenhängen. Sie ist Künstlerin, „Maddeläne“ ist ihr erstes Buch.

Die Geschichten spielen fast alle in Berlin, in der Familie einer deutschen Frau, ihrem afrikanischen Mann und den zwei Kindern. Madeleine, die Erzählerin, deren Name hierzulande so oft Maddeläne ausgesprochen wird, hat vieles davon selbst erlebt, anderes erzählt bekommen, manches erfunden. Sie lädt uns - das der Erzählrahmen - einmal im Monat auf ihren Dachboden ein, ihren Rückzugsort, zu heißem Wasser oder Zitronentee, wir besuchen sie immer wieder, ein Jahr lang. Dort plaudert sie aus ihrem Leben und erzählt von den alltäglichen und besonderen Schwierigkeiten, die die Hautfarbe ihres Mannes und der Kinder mit sich bringen.

 

Das Buch ist nicht zu vergleichen mit den jüngsten Publikationen schwarzer deutscher Frauen, die über Rassismus in Deutschland geschrieben haben. Tupoka Ogette hat mit „Exit Racism“ 2018 eine rassismuskritische Perspektive popularisiert. 2019 ist Alice Hasters mit „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten“ ein Spiegel-Bestseller gelungen. Sharon Dodua Otoo, eine in Berlin lebende schwarze Britin, hat 2016 den Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen für ihre poetische Beschreibung einer schwarz-weißen Ehe und Familie: „die dinge, die ich denke, während ich höflich lächle ...“.

In „Maddeläne“ dagegen erleben wir Rassismus aus der Perspektive einer weißen deutschen Frau. Persönliche Erlebnisse werden geschildert, die Erzählerin spricht über den Spagat zwischen den Welten, über kulturelle Unterschiede, interkulturelle Konflikte und gegenseitige Vorurteile. Bantleons Stil ist bewusst komödiantisch. Passagenweise liest sich der Text wie ein Drehbuch, ein Theatermonolog, aufgezeichnete Dialoge. Die Erzählerin spricht uns auch immer wieder persönlich an, stellt Fragen, bezieht uns ein, wenn wir ihr lauschen auf ihrem Dachboden, der erleuchtet ist von einer Lichterkette.


Manche Beobachtungen wirken auf den ersten Blick absurd und gehen einem gerade deshalb nahe. Es fängt an bei den verschämten oder auch dreist kumpelhaften Fragen nach dem Sex mit ihrem Mann, geht weiter mit dem Onkel, der meint, witzig zu sein, wenn er von ihren „gestreiften Kindern“ spricht, und der Lehrerin der Tochter, die darauf besteht, dass „hautfarben“ nicht braun sein darf. Nur ein blasses Rosa gilt. Ein Kapitel spielt in Afrika, das Land trägt einen Fantasienamen, die Szenen könnten sich fast überall südlich der Sahara abspielen. Ein andermal erläutert sie die traditionelle Bedeutung verschiedener afrikanischer Stoffe, und erzählt, was passieren kann, wenn sie getragen werden. Afrika ist immer präsent, „die Straße von Gibraltar führt durchs Wohnzimmer“. Durch die Augen der Erzählerin sehen wir Rassismus, wo wir ihn nicht vermutet hätten oder ausgeblendet haben. 

Madeleine Bantleon erhebt dabei nicht den Zeigefinder. Nur um Respekt und Zivicourage bittet sie am Ende. Und stellt uns mit der Manden-Charta des mythischen Gründers von Mali, König Sundiata Keita, eine Verfassung aus dem frühen 13. Jahrhundert vor, in der bereits die grundlegenden Menschenrechte verankert waren. So wurde zum Beispiel Sklaverei verboten und die Gleichheit aller Menschen proklamiert, auch vor dem Gesetz. 2009 wurde die Manden-Charta ins Unesco-Weltkulturerbe aufgenommen. „Maddeläne“ amüsiert und ist hochaktuell. Ein schönes Weihnachtsgeschenk, dieses schmale Buch.



Das ist ein Beitrag, der im Rahmen unserer Open-Source-Initiative eingereicht wurde. Mit Open Source gibt der Berliner Verlag freien Autorinnen und Autoren sowie jedem Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten. Ausgewählte Beiträge werden veröffentlicht und honoriert.


Share by: